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Erfolgsfaktoren im Projektmanagement - Interview mit Prof. Dr. Komus

Redaktion
25.01.2016 | 7 min Lesezeit

Projektmanagement Software

Can Do: Herr Prof. Komus, mit Ihren Studien und Publikationen „Status Quo Agile“ und „agiles PMO“ kennen wir Sie als ausgewiesenen Experten für agiles Projektmanagement. Bedeutet Ihre neue Studie „Erfolgsfaktoren im Projektmanagement“, dass das Thema agile Methoden für Sie nicht mehr interessant ist?

Prof. Dr. Ayelt Komus: (lacht) Nein, absolut nicht. Wir sind gerade in der Vorbereitung der dritten Auflage von „Status Quo Agile“. Dieses Mal nicht nur in Zusammenarbeit mit der GPM, sondern zusätzlich auch gemeinsam mit Scrum.org. Aber für mich ging es nie in erster Linie um agil oder nicht agil, ich war und bin ja auch schon seit jeher ein Verfechter einer intelligenten Konfiguration agiler und klassischer PM-Methoden-Elemente. Da ist die Suche nach evidenzbasierten Erfolgsfaktoren des Projektmanagements nur naheliegend.

 

Erfolgsfaktoren im Projektmanagement 

Can Do: Zum Thema Projektmanagement gibt es Ratgeber, Studien „Tipps & Tricks“-Publikationen und sonstige Projekterfolg-versprechende Schriften en masse. Was hat Sie dazu bewogen, eine weitere Projektmanagement-Studie zu verfassen und wie haben Sie diese konzipiert?

Prof. Dr. A. Komus: Ja, Sie haben Recht. Es gibt wahrlich viele Studien; insbesondere zum Projektmanagement. Gleichwohl bleibt die Welt nicht stehen. Neue Aspekte und Fragestellungen kommen auf und wollen verstanden werden. Schließlich führen die Erkenntnisse früherer Studien und oft auch Beobachtungen in der Praxis zum Wunsch, bisher noch nicht beachtete Aspekte genauer zu betrachten. Für unsere Studie „Erfolgsfaktoren im Projektmanagement“ ging es vor allem darum, Ergebnisse evidenzbasiert abzuleiten und schließlich die sogenannten „Effektstärke“ von Einzelfaktoren zu ermitteln.

 

Prof. Komus, Projektmanager, Projektleiter
 
 
 
 
 
Prof Dr. Ayelt Komus

 

 

 

 

Can Do: Oh, das klingt kompliziert und sehr wissenschaftlich. Können Sie das bitte erläutern?


Prof. Dr. A. Komus: Eigentlich sind es zwei sehr naheliegende Zielsetzungen.
Evidenzbasiert heißt: die Ergebnisse sollen nicht nur Meinungen und Wahrnehmungen widerspiegeln, sondern fakten- also evidenzbasiert und personenunabhängig überprüfbar sein. Oft haben gerade Experten eingefahrene Vorstellungen, die nicht ausreichend hinterfragt werden; z.T. werden etwa Widersprüchlichkeiten durch Menschen nicht wahrgenommen oder sogar ignoriert – und das bei besten Absichten. Hier hilft nur ein Studiendesign, das versucht, die subjektiven Wahrnehmungen und Meinungen soweit wie möglich herauszunehmen. Mit der Effektstärke wird deutlich, wie stark der Einfluss der jeweiligen Faktoren ist. Auch wenn wir wissen, dass ein Faktor bspw. einen positiven Einfluss hat, so ist damit noch nicht klar, wie stark die Wirkweise ist – welchen „Hebel“ der Faktor entfaltet. Hier setzt die Effektstärke an.

 

Can Do: Und wie haben Sie diese beiden Aspekte in der Studie umgesetzt?

Prof. Dr. A. Komus: Wir haben in der Studie über 400 Projekte untersucht. Diese wurden ausgewählt, weil Sie als erfolgreich oder als nicht erfolgreich eingestuft werden konnten; sozusagen als Positiv- oder als Negativ-Beispiele. Auf Basis dieser spezifischen Projekte haben wir dann über 200 Faktoren in den jeweiligen Projekten abgefragt.

 

Übersicht Erfolgsfaktoren  

 
Wir haben also bewusst die Erfolgsfaktoren nicht auf der Basis erfragt: Was ist Ihrer Erfahrung oder Ihre Einschätzung, was Projekte erfolgreich macht? Wir haben vielmehr erhoben, welche Muster wir bei erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Projekten regelmäßig vorgefunden haben. Der Rest ist dann „nur noch“ Statistik. Unter Berücksichtigung der Häufigkeit und der Frage, wie deutlich der jeweilige Faktor in den erfolgreichen bzw. nicht erfolgreichen Projekten ausgeprägt war, lässt sich die Effektstärke ableiten. Im Ergebnis lässt sich sagen, dieser oder jener Faktor trägt entsprechend stärker oder schwächer dazu bei, dass Projekte erfolgreich sind oder eben nicht
 
 

Can Do: Mit der Studie ist es Ihnen gelungen, eine rein subjektiv-empirische Bewertung von Erfolgskonzepten für Projektmanagement zu überwinden und gesicherte Erfolgsfaktoren aufzuspüren. Welches waren denn die Faktoren mit der größten Bedeutung für den Projekterfolg; der größten „Effektstärke“ also, wenn ich es richtig verstehe?


Prof. Dr. A. Komus: Die größte Effektstärke konnten wir für den Faktor „Rollendefinition und Kompetenzklärung in Projektorganisation hat sehr gut funktioniert.“ feststellen. In erfolgreichen Projekten waren also die Aufgaben sinnvoll und klar verteilt. Kein vollkommen überraschender Aspekt, interessant aber, dass er so eine große Rolle spielt. Die folgenden Top-Faktoren sind evtl. noch ein wenig überraschender. Da stehen frühzeitiges Managen der Risiken und zeitnahe Entscheidungen auf Platz 2 und 3. Die Faktoren 4, 5, 6 und 7 kreisen um Fehlerkultur, gelungene Eskalation, wertneutrale Betrachtung von Meinungsverschiedenheiten und Arbeitsklima. Sehr interessant auch Faktor 8: Kritische Reflektion der Machbarkeit und des Realitätsbezugs der Anforderungen. Zusammengefasst dominieren bei den Kernfaktoren also vor allem Klarheit, Funktionieren der Aufgabenverteilung, zeitnahes Handeln, Fehler- und Konfliktkultur und schließlich Reflektion der Projektzielsetzungen.

 

Effektkategorien

Erfolgsfaktoren, Projektmanagement

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Can Do: Spannend. Da stehen ja zusammengefasst vor allem Faktoren der Zusammenarbeit und der Klarheit im Vordergrund. In der allgemeinen Diskussion und Arbeit des Projektmanagements stehen ja oft Faktoren wie Standards, Controlling und ähnliches im Zentrum. Werden diese Faktoren überschätzt?


Prof. Dr. A. Komus: Um dies zu beurteilen, haben wir die Einzelfaktoren 14 Gruppen zugeordnet und für jede Gruppe die durchschnittliche Effektstärke ermittelt. Und tatsächlich auch bei den zusammengefassten Faktoren zeigte sich eine besondere Relevanz der sogenannten weichen Faktoren. Die Faktoren der Gruppen Konfliktmanagement und Organizational Change Management sind besonders wichtig. Die Faktoren des Projektcontrollings und des Projektrisikomanagements waren hingegen vor allem von hoher Relevanz, wenn es um Faktoren wie „Aussagekraft“, Verbindlichkeit und Wahrheit ging. Faktoren wie Nutzung quantitativer Analysen, bspw. Earned Value Analyse, hatten hingegen nur geringe Effektstärke.

 

Effektstärke - evidenzbasiert zu subjektiv 

Effektstärke

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Can Do: Sehr interessant - wirken denn alle Faktoren nach dem gleichen Muster oder gibt es neben der Effektstärke noch weitere Aspekte, die es bei der Interpretation und Nutzung von Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen gilt?


Prof. Dr. A. Komus: Interessanter Weise ließen sich hier durchaus Wirkmuster ableiten. Wir unterscheiden zwischen Erfolgsfaktoren, Misserfolgsfaktoren, Begeisterungsfaktoren und Basisfaktoren. Über die Erfolgsfaktoren hatten wir ja schon gesprochen. Misserfolgsfaktoren sind Faktoren, deren Auftreten allgemein den Projekterfolg gefährden. Wichtigste Faktoren dieser Kategorie sind Lagerbildung zwischen Auftraggeber und Team oder zwischen Internen und Externen. Schließlich lassen sich auch Basis- und Begeisterungsfaktoren herausarbeiten. So konnten wir ein effektives Risikomanagement und Stakeholder-Analyse als wichtige Basisfaktoren herausarbeiten. Wer diese Disziplinen also gut berücksichtigt, hat noch kein erfolgreiches Projekt. Umgekehrt ist aber die Vernachlässigung dieser Aspekte ein wichtiger Faktor bei Projektmisserfolgen. Beispiele für Begeisterungsfaktoren sind die Vermeidung von Ausgrenzungen und gute Projektleiter. Diese Faktoren ermöglichen eine sehr hohe Projektperformance. Diese Faktoren machen anscheinend oft den Unterschied zwischen akzeptablen und sehr guten Projektergebnissen.

 

Can Do: Spannend fanden wir die Abweichungen bei der persönlichen Einschätzung von Effekten bestimmter Einzelfaktoren und deren tatsächlichen Einfluss auf den Projektverlauf. Um welche Faktoren handelt es sich und wie kann man diese Differenzen erklären?


Prof. Dr. A. Komus: Das hat uns auch überrascht. Während wir die Studienteilnehmer ja sonst nur nach Ihren Beobachtungen bei erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Projekten befragten, haben wir an einer Stelle nach der persönlichen Einschätzung für die Gründe nach dem Projekterfolg bzw. Misserfolg befragt. Dabei lagen dann die Nennungen von Konfliktmanagement an der sechsten und Organizational Change Management an der vorletzten von 14 Stellen. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zu den ermittelten durchschnittlichen Affektstärken. Ich beobachte immer wieder, dass bspw. Organizational Change Management im Projektverlauf einen schweren Stand hat und die angestrebten Intensitäten nicht erreicht werden. Unsere Zahlen sprechen dafür, dass das Thema auch in der Rückschau unterschätzt wird.

 

Can Do: Schließlich - auch das ist überaus spannend - haben Sie Faktoren ausgemacht, die kaum einen Effekt auf den Projekterfolg oder -misserfolg haben wie bspw. die bewusste Berücksichtigung Ungleichheiten bei der Zusammenstellung von Projektteams - welche Mythen konnten Sie noch entzaubern?


Prof. Dr. A. Komus: Ja, einige Faktoren fanden überraschend geringe Resonanz in unserem Zahlenmaterial. Explizite Berücksichtigung von Diversity spielte zum Beispiel kaum eine Rolle. Ebenso die Ausgestaltung der Verträge mit Dienstleistern oder die Frage, ob die Projektleitung durch einen Externen oder Internen wahrgenommen wurde.


Weitere Projektmanagement - Interviews von Can Do

Mikrofone_bearbeitet

 

Can Do: Sie blicken auf viele Jahre praktische Erfahrung im Projektmanagement zurück, haben eine Vielzahl von Studien und einschlägigen Publikationen zum Thema veröffentlich. Was hat Sie als Projektmanager an diesen Studienergebnissen am meisten überrascht? Und in welchen Bereichen bestätigte Ihre Studie subjektive Projekterfahrungen?


Prof. Dr. A. Komus: Die gerade beispielhaft dargestellten Faktoren, die keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielten waren schon zum Teil überraschend. Hier wäre sicher auch eine tiefergreifende Analyse interessant. Insgesamt fand ich auffallend, das gewisse Grundmuster sich durch alle relevanten Faktoren zogen. Ich führe das mit den übergeordneten Faktoren Klarheit, Verbindlichkeit, Kommunikation, Integration und Reaktion zusammen. Dies sind Muster und Verhaltensweisen, die ich schon oft in der Praxis bei guten und erfolgreichen Projektleitern, aber auch Projektumfeldern beobachten konnte. Wenn diese – eigentlich grundlegenden – Tugenden gelebt werden, scheint der Projekterfolg deutlich wahrscheinlicher zu sein.

 

Erfolgsfaktoren und agile Methoden

Scrum, agiles Projektmanagement,

Übrigens sind die Erfolgsmuster, die wir in der Studie identifiziert haben, an auffallend vielen Stellen Faktoren und Elemente, die ganz zentral in agilen Methoden wie Scrum verankert sind. Meines Erachtens stützen die Ergebnisse also die Bedeutung agiler Methodenelemente bzw. erklären ihren Erfolg. Zugleich zeigen diese Elemente wieder einmal wie naheliegend und wichtig die intelligente Kombination agiler und klassischer Projektmethodenelemente ist – und welche große Rolle Kultur und Werte spielen. Faktoren die ja auch den Kern des agilen Manifest prägen.

Weitere Informationen und der kostenfreie Studienbericht „Erfolgsfaktoren im Projektmanagement“ sind unter www.erfolgsfaktoren-projektmanagement.de verfügbar. Weitere Publikationen und Vorträge von Prof. Komus unter www.komus.de/ und www.bpm-labor.de.

 

Über Prof. Dr. Ayelt Komus

Prof. Dr. Ayelt Komus lehrt an der Hochschule Koblenz (www.hs-koblenz.de) im Fachbereich Betriebswirtschaft und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen Projektmanagement sowie Business Process Management. Die unternehmensspezifische Gestaltung von Projektmanagement-Methodiken mit Trainings und Werkzeugen zählt genauso zu seinem Erfahrungsschatz wie die Verantwortung und Planung diverser IT-bezogener und IT-neutraler Großprojekte. Seine Studien "Status Quo Agile" untersuchten 2012 und 2014 Verbreitung, Erfolg und Praktiken agiler Methoden. Seine Studie „Erfolsfaktoren im Projektmanagement“ analysierte evidenzbasiert die Erfolgsfaktoren Projektmanagements.

 

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