Projektmanagement im Mittelstand: Agilität und KI als Erfolgsfaktoren
Beim mittelstand.digital.forum standen zwei zentrale Themen im Fokus: Agile Methoden und der Einsatz von KI-Tools im Projektmanagement. Während ...
Wir sind bereits bei Teil 4 unserer Blogpost-Reihe zum Ressourcenmanagement angelangt –und diesmal verlässt Thomas Schlereth die Projektmanagement-Theorie, um über die Arbeitsorganisation und Planung der einzelnen Mitarbeitenden in der Praxis zu schreiben. Abschließend erklärt er, weshalb "nur" Agilität die Ressourcenplanung auch nicht besser macht.
Menschen arbeiten nicht wie Maschinen – und in unsere Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft nicht im Akkord. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Firmen sind hoch qualifiziert und haben viele Fähigkeiten, so dass sie in verschiedensten Arbeiten eingesetzt werden können.
Projektmanagement ist eine Arbeitsmethode, die vor allem zielorientiert ist. Dies drückt sich in Terminen (wenn auch ungenau) und Mengen aus. Meilensteine in Projekten repräsentieren Teilziele. Beide Gegebenheiten prägen die moderne Projektplanung genauso wie der Einsatz moderner Planungssoftware. Die Verantwortlichen müssen umdenken, besonders das Thema der Mikroplanung hat sich stark verändert. So, wie der Projektleitung ein Ziel für das gesamte Projekt gesetzt wird, genauso wird dies auf Teilziele (sprich Meilensteine) heruntergebrochen.
Diese Verfeinerung findet dann auch in den Arbeitspaketen der Menschen in einem Projekt statt. Die zu erledigende Arbeit hat einen Start, ein Ende und einen angenommenen Aufwand an Arbeit. Und von diesen Arbeiten hat ein Mitarbeiter mehrere parallel in seiner persönlichen Planung. Dies kann in einem Projekt vorkommen, oft aber eben auch projektübergreifend. Weiterhin hat die Person nicht projektbezogene Arbeit wie Grundlast, Besprechungen etc.
Die detaillierte Organisation, also wann welche Arbeit in welcher Menge durchgeführt wird, unterliegt der Verantwortung des Einzelnen. Er oder sie muss lediglich die Rahmenbedingungen aus der Planung einhalten. Diese Personen fertigen keinen detaillierten Arbeitsplan für eine Woche oder länger an. In deren persönlichen Kalendern steht eben nicht "am Montag 1,5 Stunden Konzept schreiben, danach mit Kollegen reden (30 Minuten), dann Mails abarbeiten (21 Minuten)" etc. Der Mitarbeiter arbeitet, überspitzt formuliert, von Tag zu Tag, ohne idealerweise die übergeordnete Planung zu berücksichtigen. Danach setzt er oder sie die Prioritäten und häufig auch die Arbeitsintensität.
Der wesentlichste Punkt für die Planer ist aber: Der Mitarbeiter muss alle Arbeiten auch schaffen können, eine gute persönliche Organisation vorausgesetzt. Kann der/die Mitarbeiter die Ziele aus der Planung nicht einhalten, egal wie sie oder organisiert ist, wird es zu Abweichungen kommen. Viel schlimmer ist aber, dass der Mitarbeiter dann, wenn dies häufiger oder immer vorkommt, den Vorgaben nicht mehr wirklich glaubt und sie nicht mehr ernst nimmt. Er oder sie läuft einem nie zu erreichenden Ziel hinterher.
Das ist dann das Ergebnis einer von oben nach unten fortschreitenden Disruption der gesamten Planung eines Unternehmens. Der Vorstand gibt unrealistische Projekte frei (oder ordnet sie an), die Projektleiterin schiebt dieses Unmögliche weiter an die Mitarbeitenden, die dann immer im Verzug ist. Wenn ein Projekt dann erhebliche Abweichungen hat oder sogar scheitert, sind die Projektmitarbeitenden schuld, haben sie doch die Vorgaben nicht eingehalten.
Genau wie auf Portfolioebene auch, dürfen die Mitarbeitenden nur bis zu ihrer Kapazitätsgrenze, vielleicht etwas darüber, ausgelastet werden. Sonst ist die Planung sinnlos. Projektleiter oder Linienmanager müssen also im Moment der Planung in Echtzeit wissen, ob die Mitarbeitenden das überhaupt schaffen können. Da der Mitarbeiter aber selbst keine detaillierte Arbeitsorganisation anfertigt, entsteht eine Lücke in der Vorhersehbarkeit.
Durchschnittswerte für ein Arbeitspaket zu verwenden, führt in die Irre. Ein/e MitarbeiterIn, der/die an einem Text über den Zeitraum von 5 Tagen arbeiten soll, dabei aber insgesamt nicht mehr als 20 Stunden investiert, wird nicht jeden Tag genau 4 Stunden an dem Text arbeiten. Hätte sie an einem Tag Urlaub, würde die Person in der Software als überlastet dargestellt, obwohl sie durch etwas eigene Organisation das Ziel trotzdem leicht erreichen kann.
Manche Lösungen behelfen sich damit, dass sie die „Flughöhe“ erhöhen. Es wird also nicht mehr auf die Auslastung einer Woche geschaut, sondern auf den Monat. Hat der/die MitarbeiterIn eine Verfügbarkeit von 160 Stunden im Monat und ist mit 150 Stunden in Summe verplant, funktioniert alles. Wer so plant, ist leider in der Vergangenheit der Akkordarbeit hängen geblieben. Die Arbeiten haben aber Fertigstellungstermine irgendwann innerhalb des Monats. Das oben beschriebene Beispiel könnte also auch heißen, dass der Mitarbeiter in den ersten zwei Wochen des Monats 150 Stunden verplant wurde, in der zweite Monatshälfte gar nicht. Projektpläne sind nicht auf Monate oder Quartale ausgerichtet, sondern auf einzelne Arbeitspakete, die entsprechend kürzer sind und auch pünktlich fertig werden müssen. Eine periodische Sichtweise auf die Auslastung des Personals hat somit nur eine bedingte Aussagekraft.
Eine weitere beliebte Ausweichstrategie der Projektplaner ist es, einfach viel grober zu planen. Es werden also viele Arbeitspakete zu einem Planungselement zusammengefasst und das Personal darauf geplant. Die detaillierteren Arbeitsschritte werden nur dokumentiert und die Details den Mitarbeitenden überlassen. Das ändert natürlich überhaupt nichts an der Realität, nur dass dann Mitarbeitende Teile des Projekts nicht nur erledigen, sondern auch selbst planen. In diesem Fall wäre es jedoch nur fair, wenn ein Teil des Gehalts der Projektleitung an die Projektmitarbeitenden geht, denn diese erledigen ihren Job …
Die detaillierte Organisation, wie ein Mensch parallele Aufgaben für sich organisiert, ist komplex und dynamisch, vor allem, da der Mensch oft selbst nicht genau weiß, was und wie er da plant.
Es gibt aber einen sehr komplexen Algorithmus (in der Planungssoftware Can Do), der anscheinend spielend damit umgehen kann. Das Verfahren wurde „Watermodel“ genannt, weil die Arbeit für die Menschen wie Wasser in einem Becken dynamisch und beweglich ist. Dabei werden einfach alle denkbaren Anordnungen der Arbeiten innerhalb der Grenzwerte durchsimuliert. Findet der Algorithmus aus den Tausenden Kombinationen Varianten, die für die/den MitarbeiterIn funktionieren, bleibt das System still. Eine Warnung an den Projektleiter ist nicht notwendig, denn der/die MitarbeiterIn kann es schaffen.
Allerdings ist die Situation volatil: Eine einzige Zeitrückmeldung auf einem Arbeitspaket durch den Mitarbeiter ändert alles, und es muss erneut simuliert werden, ob er oder sie sich noch organisiert bekommt. Bei größeren Unternehmen können hier extreme Mengen entstehen, sind doch teilweise mehrere Personen auf einem Arbeitspaket geplant. Weiterhin gibt es einfach sehr viele Pakete mit sehr vielen Ressourcenzuweisungen; die Anzahl kann in die Millionen gehen. Trotzdem schafft die Software die Berechnung in Echtzeit!
Um die enorme Komplexität weiter zu steigern, muss ein zusätzlicher Faktor bedacht werden. Die Planungsobjekte, die zu dieser Berechnung herangezogen werden, sind eben nicht exakt vorhersehbar, sie können ungenau sein. Es ist also gar nicht genau bekannt, wann das Arbeitspaket anfängt, wie lange es dauert oder wie hoch die Arbeitsmenge ist.
Daher bleibt dem Algorithmus nichts anderes übrig, als jede Möglichkeit, wie ein Arbeitspaket ablaufen könnte, mit allen anderen Varianten aller anderen Arbeitspakete zu kombinieren. Nun werden hier aus Tausenden Kombinationen Milliarden. Auch das schafft der Algorithmus in Echtzeit. Für einen Menschen, den/die ProjektplanerIn, wäre das unmöglich. Deswegen ist Planung von Personen in Projekten für Menschen nahezu unmöglich.
Das Szenario kann sogar noch weiter getrieben werden, wenn die Anforderung des Planers nicht eine persönliche, sondern eine generische Planung ist. Das bedeutet: Es wird ein Team von Personen zugewiesen statt einer einzelnen Person. Dies kommt häufig bei langfristiger Planung vor. Nun muss der Algorithmus auch jede denkbare Kombination der Personen miteinander und die jeweiligen möglichen Arbeitsanteile mit Watermodel durchrechnen. Da dies mathematisch nicht mehr möglich ist, außer der Anwender ist bereit, auf das Ergebnis einige tausend Jahre zu warten, werden weitere Algorithmen vorgeschaltet. Diese analysieren zunächst die Mustersituation und steuern dann passende dynamische Algorithmen an, die das Problem in Segmenten lösen. Jeder dieser Algorithmen ist spezialisiert. Dadurch kommt das Ergebnis wieder in Echtzeit.
Die Antwort ist schlichtweg nein. Jegliche Planung dreht sich immer darum, wer was und wann macht. Es ist egal, wie organisiert wird, dieser Sachverhalt bleibt gleich. Bei der agilen Methode Scrum wird die persönliche Planung einfach von der Projektleitung an das Team bzw. an die einzelne Person delegiert. Weiterhin wird der Planungszeitraum auf einen überschaubaren Horizont, also Sprints von 2 bis 6 Wochen, verkürzt. Die Problemstellung der mittel- und langfristigen Kapazitätsplanung wird dabei weitgehend ignoriert. Die Idee dahinter ist einfach: "Da eh nichts genau geplant werden kann und alles immer anders ist, planen wir erst gar nicht."
Ich glaube, der berechtigte Erfolg von Scrum hängt auch mit den oben beschriebenen Erfahrungen in der klassischen Projektplanung zusammen. Scrum hat ganz andere Motivationen und ist für Teams, gerade in der IT, eine ausgezeichnete Organisationsform.
Die Kombination beider Methoden, also von langfristiger Wasserfallplanung zusammen mit Scrum, erscheint als das Beste aus beiden Welten.
Ich gestehe es gerne ein: Die Blogpostreihe übers Ressourcenmanagement ist ziemlich umfangreich. Aber es ist mir eben auch ein Anliegen, mehr Verständnis für den menschlichen Faktor ins Projektmanagement zu bringen – und gleichzeitig aufzuzeigen, wie moderne Software mit KI selbst diesen schwer vorhersehbaren Faktor in den Griff bekommt. Im nächsten und letzten Teil geht es um die Probleme, die in einem Projekt auftreten können. Und ein Fazit will ich auch noch ziehen …
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